Beispiel 0-2.Lebensmonat: Benjamin

Der acht Woche alte Benjamin schreit und schreit jeden Abend, schlägt mit Armen und Beinen wild um sich, während seine Eltern alles Mögliche versuchen ihn zu besänftigen. Sie wiegen, schaukeln, schmusen ihn; massieren seinen Bauch falls er Blähungen haben sollte; singen Schlaflieder, alles um ihn zu beruhigen. Manchmal dauert dies 20 Minuten, manchmal 2 Stunden.

Mit der Wahrnehmung und Befriedigung der kindlichen Bedürfnisse erhält Benjamin die Gewissheit, dass es Personen gibt, die seine soziale und emotionale Entwicklung unterstützen und auf die er sich in Zukunft verlassen kann. So lernt er mit der Zeit soziale Beziehungen einzuschätzen, seine Stimme und Motorik zur Kommunikation zu benutzen, sich selber als wirksam zu erleben und sich selber zu beruhigen. Dies verschafft ihm das notwendige Vertrauen zu sich selbst und zu seiner Umwelt.

Beispiel 2.-6. Lebensmonat: Tamara

Die fünfmonatige Tamara liebt es mit ihrer Mutter und ihrem Vater “verstecken“ zu spielen. Immer wenn sie aufhören, quengelt sie und lässt sie wissen, dass sie mehr davon möchte. Also machen sie weiter. Bald fügen die Eltern eine weitere Variante hinzu, indem sie für kurze Zeit hinter einem Kissen verschwinden, bevor sie „wiedererscheinen“, um ihr so einige Sekunden zum Suchen zu geben.

Dieses einfache Spiel bedeutet mehr als nur „Spaß haben“. Es zeigt, dass alle Entwicklungsgebiete bei Tamara miteinander verbunden sind, und wie ihre Eltern bei einer normalen Entwicklung helfen. Tamaras Interesse am gemeinsamen Spiel mit den Eltern ist ein Zeichen ihrer sozialen und emotionalen Entwicklung, weil sie sich gemeinsam freuen können und sie erleben kann, dass die Eltern es genießen mit ihr zusammen zu sein. Dabei fühlt sie sich geliebt und sicher, so dass es ihr im weiteren Entwicklungsverlauf leichter fällt positive Beziehungen zu entwickeln. Ihr Verlangen nach diesem gemeinsamen Spiel mit Vater und Mutter führt zur Fortentwicklung neuer kognitiver Fähigkeiten, während sie versucht den nächsten Schritt vorauszusehen. Das Vermögen zur Antizipation ermöglicht den Kindern früh, ein Bewusstsein dafür auszubilden, ihre Umwelt einschätzen zu können. Zu wissen was als nächstes passiert, wird es ihr leichter machen Trennungen von den Eltern zu ertragen, weil sie lernt, dass Personen weiter vorhanden sein können, auch wenn sie nicht zu sehen sind.

Tamaras frühe sprachliche und motorische Fähigkeiten entstehen wenn sie juchzt, quengelt und die Arme reckt, um ihre Eltern wissen zu lassen, dass sie nicht möchte dass das Spiel beendet wird. Wenn sie das Spiel fortsetzen, signalisieren ihr die Eltern, dass sie gut kommuniziert und jedes Mal wenn sie „wiedererscheinen“ lernt Tamara, dass sie immer auf die Rückkehr der Eltern vertrauen kann.

Beispiel 6.-9.Lebensmonat: Julia

Anne ist die Mutter der 8 Monate alten Julia. Annes beste Freundin Claudia, kommt das erste Mal zu Besuch, um das Kind zu sehen. Nachdem Claudia eingetroffen ist, signalisiert Julia sehr deutlich, dass sie nichts mit ihr zu tun haben möchte. Immer wenn Claudia versucht sie anzusprechen, oder mit ihr zu spielen, beginnt sie zu wimmern, dreht sich weg und klammert sich an Anne. Anne fühlt sich daraufhin frustriert und peinlich berührt. Obwohl sie sich eigentlich versucht fühlt, Claudia ihre Tochter einfach in den Arm zu drücken, entschließt sie sich dazu, sich erst einmal gemeinsam hinzusetzen und Claudia zu bitten, Julia ihr Lieblingsbuch vorzulesen, während diese auf dem Schoss der Mutter sitzt. Langsam beginnt Julia damit Claudia anzugucken und mehr Interesse zu zeigen. Bald schon rutscht sie vom Schoss der Mutter und rückt näher an Claudia heran.

Hier zeigt sich, dass bei Julia sämtliche Entwicklungsgebiete miteinander verbunden sind, und wie das Verhalten ihrer Mutter bei ihr eine gesunde Entwicklung unterstützt. Julias starke Bindung an ihre Mutter, das Vertrauen das sie zeigt, indem sie sich an sie klammert und ihre Furcht vor Fremden, sind allesamt Zeichen ihrer sozialen und emotionalen Entwicklung. Ihre intellektuellen Fortschritte erlauben es ihr zwischen Personen die sie kennt und solchen, die sie nicht kennt zu unterscheiden, und helfen ihr dabei die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Geborgenheit und Sicherheit zu bekommen, die sie braucht. Sie gebraucht Geräusche(Sprachentwicklung), Gesichtsausdruck und Gesten (motorische Entwicklung) zunächst um Anne gegenüber anzuzeigen, dass es ihr unheimlich ist und dass sie Unterstützung braucht. Später benutzt sie ihre Fähigkeiten um mitzuteilen, dass sie bereit zur Beziehungsaufnahme ist. Anne `s Einfühlsamkeit gegenüber Julias Bedürfnis sich erst einmal mit neuen Situationen und Personen vertraut zu machen, hilft Julia dabei sich sicher und geliebt zu fühlen. Später, wenn sie älter wird, wird es ihr leichter fallen neue Leute zu treffen.

Beziehungen sind das Fundament der gesunden kindlichen Entwicklung.

Da einzelne Entwicklungsaspekte beim jeweiligen Kind mit unterschiedlicher Geschwindigkeit ablaufen, müssen die Eltern die Experten dafür sein, zu beurteilen an welcher Stelle ihr Kind Unterstützung benötigt.

Beispiel 9.-12. Lebensmonat: Nina

Die 11 Monate alte Nina befindet sich zusammen mit ihrem Vater Thomas im Park. Nina spielt gerade alleine im Sandkasten, als eine Gruppe Krabbelkinder dazukommt. Anfangs lächelt Nina und beobachtet aufmerksam deren Spiel. Als die anderen Kinder jedoch aktiver und lauter werden, beginnt sie unvermittelt zu weinen. Sie krabbelt aus dem Sandkasten und streckt die Arme nach Thomas aus, der sie hochnimmt und tröstet. Im Anschluss jedoch geht der Vater einen Schritt weiter. Nachdem Nina sich beruhigt hat, ermuntert er sie das Spiel in der Nähe der Kinder wiederaufzunehmen. Er setzt sich an ihre Seite, redet und spielt mit ihr. Bald darauf bewegt sich Nina langsam auf die anderen Kinder zu, deren Bewegungen sie nun neugierig beobachtet.

Dieses Beispiel zeigt uns wiederum, auf welche Weise alle Entwicklungsbereiche Ninas miteinander verbunden sind, und wie die Reaktion ihres Vaters dazu beiträgt, dass sie sich gesund entwickelt. Dass Nina sich ihrem Vater zuwendet um beruhigt zu werden zeigt, dass sich in der Zwischenzeit eine enge und vertrauensvolle Beziehung etabliert hat. Dies ist ein wichtiger Ausdruck ihrer sozialen und emotionalen Entwicklung. Sie benutzt ihre intellektuellen Fähigkeiten dazu, einen Plan zu machen(„Ich möchte von meinem Vater beruhigt werden, wie erreiche ich das?“), ihre Sprache(weinen) und ihre motorischen Fähigkeiten (wegkrabbeln, emporreichen), um diesen Plan auszuführen und erfolgreich die Beruhigung zu bekommen, die sie gesucht hatte.

Thomas` einfühlsame Reaktion hat einen starken Einfluss darauf, was Nina durch diese Erfahrung lernt. Er lässt Nina auf diese Weise wissen, dass ihre Bedürfnisse und Gefühle wichtig sind. Dies wird Nina dabei helfen zukünftige Beziehungen in dem Gefühl von Liebe und Vertrauen zu entwickeln. Auch zeigt er Nina, dass sie sich gut ausdrücken kann, so dass sich in Zukunft immer bessere Sprachfähigkeiten ausprägen werden. Sein Verhalten gibt Nina außerdem das Bewusstsein dafür Probleme bewältigen zu können. Sie wollte Beruhigung und hat einen Weg gefunden, dies zu erreichen. Indem ihr Vater sich mit ihr zusammen in die Nähe der anderen Kinder setzt, weiß Nina dass sie die Unterstützung erhält, die sie benötigt um mit unvertrauten oder schwierigen Herausforderungen fertig zu werden. Dies wird ihr das Gefühl von Selbstsicherheit vermitteln, dass sie zukünftig brauchen wird.

Adäquate Beziehungen sind das Fundament für die gesunde Entwicklung ihres Kindes.

Beispiel 12.-18. Lebensmonat: Karl

Der sechzehn Monate alte Karl möchte Saft und seine Mutter weiß nichts davon. Er sitzt in seinem Hochstuhl, schlägt mit seiner Tasse auf den Tisch und schiebt die Milchtüte von sich weg, als seine Mutter Marta versucht ihm etwas einzuschütten. Beide sind sauer. Marta nimmt Karl mit der Bemerkung aus dem Hochstuhl, dass Essen sei nun vorüber. Karl läuft daraufhin zum Kühlschrank und schlägt kräftig gegen die Tür. Marta überlegt kurz ihm zu sagen, er solle damit aufhören, fragt ihn aber stattdessen: „Möchtest Du den Kühlschrank vielleicht öffnen?“ – Karl lächelt und schüttelt den Kopf „Ja!“ Marta öffnet die Tür und Karl zeigt auf die Getränke im Innenfach. Danach deutet sie auf jeden Karton und fragt, „Ist es das, was Du möchtest?“ Karl schüttelt den Kopf bis sie zum Saft kommt. Dann springt er hoch und ruft „SaSa!“. Marta schüttet ihm Saft ein, nachdem er sich fröhlich auf ihren Schoss gesetzt hat.

Wir sehen hier, dass alle Entwicklungsgebiete des Jungen miteinander verknüpft sind, und wie es seiner Mutter gelingt seine gesunde Entwicklung durch ihr Verhalten zu unterstützen. Karl hat gelernt, dass er sich auf seine Mutter als jemanden verlassen kann, der ihm hilft, wenn es ihm schwer fällt seine Bedürfnisse mitzuteilen. Dies spricht für eine belastbare sozioemotionale Entwicklung. Er gebraucht seine intellektuellen Fähigkeiten, um sich einen Plan von dem zu machen, was er will und gebraucht seine motorischen und sprachlichen Möglichkeiten, wenn er zum Kühlschrank geht und durch schlagen, zeigen und Geräusche seinem Wunsch Ausdruck verleiht.

Trotz ihres Ärgers nimmt sich Marta die Zeit, Karl zu beobachten und zuzuhören. Dies ermutigt ihn, sich als kompetent zu erleben und bestärkt sein Selbstwertgefühl, indem es ihm signalisiert, dass er es wert ist, dass ihm zugehört und Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Beziehungen sind das Fundament der gesunden kindlichen Entwicklung.

Da einzelne Entwicklungsaspekte beim jeweiligen Kind mit unterschiedlicher Geschwindigkeit ablaufen, müssen die Eltern die Experten dafür sein, zu beurteilen an welcher Stelle ihr Kind Unterstützung benötigt.

Beispiel 18.-24. Lebensmonat: Thomas

Thomas ist begeistert, dass er seine 21 Monate alte Tochter Alicia mitnehmen kann zur Vorlesestunde in der örtlichen Stadtbücherei. Dort möchte er sich mit einem Freund treffen, der seine Tochter ebenfalls mitbringen möchte. Als sie den Raum betreten, nimmt Alicia die laute Menschenmenge wahr und verbirgt ihren Kopf hinter den Beinen ihres Vaters und zieht ihn jammernd zur Tür zurück, „Hause gehen!“ Thomas ist enttäuscht und versucht sie dazu zu bekommen einen Platz im Kreis der anderen Kinder einzunehmen. Je mehr er sich jedoch anstrengt, desto widerspenstiger wird sie – so lange bis er fast aufgeben möchte um zurück nach Hause zu gehen. Gerade als sie den Raum verlassen, nimmt er wahr, dass Alicia ein Buch ansieht. Er hält inne und fragt, ob sie vielleicht Lust hat, das Buch zu lesen und sie nickt. Sie sitzen am hinteren Ende des Raumes und lesen das Buch leise gemeinsam. Die Vorlesung beginnt und Alicia fängt an aufzuschauen, ihre Umgebung zu beobachten und dem Erzähler mehr und mehr zuzuhören. In der nächsten Woche, als Thomas fragt, ob sie Lust habe zur Vorlesestunde zu gehen, strahlt Alicia und sagt „Ja!“

Wir sehen hier, dass alle Entwicklungsgebiete des Mädchens miteinander verknüpft sind, und wie es ihrem Vater gelingt ihre gesunde Entwicklung durch sein Verhalten zu unterstützen. Wegen der intakten sozioemotionalen Beziehung zu ihrem Vater, ist er in diesem Moment derjenige, den Alicia aufsucht um Schutz und Geborgenheit zu erhalten, wenn sie sich beängstigt fühlt. Sie weiß, dass sie sich auf seine Unterstützung verlassen kann. Ihre intellektuellen Fähigkeiten erlauben es ihr, ihre Gefühle mittels des Sprachvermögens – ihrer Gestik, Mimik und Worte auszudrücken. Sie benutzt ihre motorischen Fertigkeiten um ihren Vater zu „bewegen“, sie wieder nach Hause zu bringen. Thomas` Antwort erlaubt es Alicia in einer herausfordernden Situation zu bestehen. Er kann seine eigenen Interessen hintanstellen, indem er in der Gruppe verbleibt und „wahrnimmt“ was Alicia ihm mitzuteilen versucht. Dadurch ermöglicht er ihr sich in einer unvertrauten Situation besser zurechtzufinden – jetzt und in Zukunft.

Beziehungen sind das Fundament der gesunden kindlichen Entwicklung.

Da einzelne Entwicklungsaspekte beim jeweiligen Kind mit unterschiedlicher Geschwindigkeit ablaufen, müssen die Eltern die Experten dafür sein, zu beurteilen an welcher Stelle ihr Kind Unterstützung benötigt.

Beispiel 24.-36. Lebensmonat: Anton

Der dreißig Monate alte Anton möchte mit seiner Mutter Lena eine Burg bauen. Sie sind fast fertig, als Anton beginnt sie Stein für Stein wieder auseinander zu nehmen, und die Sterne in einer geraden Linie anzuordnen. Genervt nimmt Lena die Steine und baut die Burg wieder auf. Anton beginnt zu weinen und beschwert sich, sie würde es nicht richtig machen. Lena hört auf und fragt ihn, was er da mache. Überrascht, dass seine Mutter es „nicht schnallt“ erklärt er, dass er gerade den Weg so baue, dass die Drachen den Weg zur Burg nicht finden würden. Lena lächelt und beobachtet wie er seinen „Drachenweg“ zu Ende baut.

Dieses Beispiel zeigt dass alle Entwicklungsgebiete des Jungen miteinander in Verbindung stehen, und wie die Erwiderung seiner Mutter seine gesunde Entwicklung fördert. Seine Fähigkeit zum kooperativen Spiel, anstelle des nebeneinander her, zeigt seine soziale und emotionale Entwicklung. Sein Intellekt ermöglicht es ihm „zu tun als ob“ und „Burg“ zu spielen. Die Steine auf andere Art zu verwenden, zeugt von Kreativität und guten Fähigkeiten zur Problemlösung.

Er benutzt seine Sprache, um seiner Mutter klar zu machen was er denkt und plant. Seine Feinmotorik erlaubt es ihm, umzusetzen was er sich im Geiste vorstellt. Als Lena sich fröhlich auf Antons „als-ob-Spiel“ einlässt sorgt sie dafür, dass er sich wichtig und geliebt fühlt. Sie zeigt sich flexibel, indem sie ihren Ärger zur Seite stellt und versucht zu verstehen was Anton tun möchte. Dies signalisiert Anton, dass er geschätzt und respektiert wird. Dass Lena Anton das Spiel bestimmen lässt, fördert seine Kreativität und Phantasie - zwei wesentliche Aspekte einer übergreifend gesunden Entwicklung.

Beziehungen sind das Fundament der gesunden kindlichen Entwicklung.

Da einzelne Entwicklungsaspekte beim jeweiligen Kind mit unterschiedlicher Geschwindigkeit ablaufen, müssen die Eltern die Experten dafür sein, zu beurteilen an welcher Stelle ihr Kind Unterstützung benötigt.